Aktuelles Unternehmenssteuerrecht in Nordkirchen
‚Aktuelles Unternehmenssteuerrecht' lautete das Schwerpunktthema der 31. Vor-tragsveranstaltung
des Forums Steuerrecht Schloss Nordkirchen e.V. am 09.05.2022. Mit über 250 online
anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern war die Resonanz auch diesmal wieder sehr
groß.
Drei spannende Vorträge standen auf der Agenda des Nachmittags: Dr. Christian Graw
und Dr. Jens Reddig boten den Gästen jeweils überaus interessante Einblicke in die
ak-tuelle Rechtsprechung des IX. bzw. des X. Senats des Bundesfinanzhofs. Anschließend
referierte Prof. Dr. Carsten Pohl zum Optionsmodell des § 1a KStG. Moderiert wurde
die Veranstaltung vom 1. Vorsitzenden des Forums Steuerrecht, Prof. Dr. Christoph
Uhlän-der, der kompetent und in gewohnt humorvoller Art und Weise durch den Nachmittag
führte.
Dr. Christian Graw, Richter am Bundesfinanzhof (IX. Senat), startete mit der Bespre-chung
interessanter Entscheidungen des IX. Senats aus dem Jahr 2021 zu § 17 Abs. 2 Satz
3 EStG (Anm.: vgl. zu § 17 Abs. 2a EStG nunmehr BMF v. 07.06.2022 - IV C 6 - S 2244/20/10001:001),
zu § 7 Abs. 4 S. 2 EStG und zur Vermögensübertragung gegen Ver-sorgungsleistungen.
Außerdem gab er ein Update zum Problem der Kaufpreisaufteilung beim Erwerb bebauter
Grundstücke und wies auf die im Mai 2021 überarbeitete Ar-beitshilfe des BMF zur
Kaufpreisaufteilung hin, die u.a. ein entsprechendes Excel-Tool biete. Im letzten
Teil seines Vortrags nahm Dr. Graw private Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23
EStG in den Blick und schilderte vier aktuelle Entscheidungen zu diesem Themenbereich.
Unter der Rubrik "Coming soon" rundete Dr. Graw seinen Vortrag mit einem Ausblick
auf fünf zur Entscheidung anstehende Fälle des IX. Senats ab. Als I-Tüpfelchen lud
Dr. Graw, dessen eigene berufliche Karriere mit der Ausbildung an der HSF Nordkirchen
begonnen hat, interessierte Studierende herzlich ein, bei Gelegenheit an einer Sitzung
des Bundesfinanzhofs teilzunehmen.
Nach einer kurzen Pause setzte Dr. Reddig, ebenfalls Richter am Bundesfinanzhof (X.
Senat), den Vortragsnachmittag sehr abwechslungsreich mit vier aktuellen Entschei-dungen
des X. Senats fort. Die erste Entscheidung betraf die personelle Verflechtung im
Rahmen einer Betriebsaufspaltung und dort speziell die Frage der Zurechnung von An-teilen
Minderjähriger. In diesem Zusammenhang ging Dr. Reddig auch auf mögliche Ge-staltungserwägungen
ein, die eine Zwangsbetriebsaufgabe bei Eintritt der Volljährig-keit des beteiligten
Kindes gegebenenfalls verhindern können. Anschließend ging es um die Entscheidung
des X. Senats vom 16.3.2021 zum "Mini-aRAP" (X R 34/19), die Dr. Reddig humorvoll
als "Krümelmonster-Entscheidung" bezeichnete. Auch wenn dieses Urteil zum Teil auf
erhebliche Kritik gestoßen und das Ergebnis für die Bilanzpraxis nicht erfreulich
sei, müsse doch der klare Wortlaut des § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG beachtet werden.
Dieser lasse keine andere Lösung zu. Abhilfe könne hier nur der Gesetzgeber selbst
schaffen. Darüber hinaus stellte Dr. Reddig zwei weitere interessante Urteile vor:
Im ersten Fall hatte der X. Senat zu entscheiden, was unter dem Begriff des Wirtschafts-jahrs
im Sinne von § 7g Abs. 1 S. 1 EStG zu verstehen ist. Die zweite Entscheidung betraf
die steuerliche Erfassung von Erlösen aus einem eBay-Handel mit Modelleisenbahnen.
Details zu den besprochenen Entscheidungen finden sich in den Präsentationen der
Vor-tragenden, die auf der Homepage des Forums Steuerrecht zum Download bereitstehen.
Den dritten Vortrag hielt Prof. Dr. Carsten Pohl, Leiter des Lehrbereichs ‚Besteuerung
der Gesellschaften' an der Hochschule für Finanzen Nordkirchen. Er referierte sehr
in-struktiv über aktuelle Aspekte des Optionsmodells nach § 1a KStG. Die Norm ermögli-che
es den Personenhandelsgesellschaften sich steuerlich wie eine Körperschaft behan-deln
zu lassen. Ziel sei es, die Besteuerung rechtsformneutral zu gestalten und zudem
eine internationale Rechtsangleichung zu erreichen. Zwischenzeitlich hat auch die
Fi-nanzverwaltung zu Fragen des § 1a KStG Stellung genommen (vgl. BMF v. 10.11.2021,
BStBl. I 2021, 2212). Prof. Pohl erläuterte anhand eines anschaulichen Beispiels
syste-matisch die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 1a KStG. Dabei nahm er jeweils
Bezug auf die entsprechenden Passagen des BMF-Schreibens und zeigte außerdem an-hand
von Schaubildern die passenden Eintragungsmöglichkeiten im ELSTER-Programm. Da der
zeitliche Rahmen keinen Raum für eine intensive Diskussion der viel-fältigen Zweifelsfragen
im Rahmen des § 1a KStG ließ, gab Prof. Pohl an vielen Stellen weiterführende Hinweise,
die in seiner Präsentation auf der Homepage des Forums zu finden sind.
Es war in jeder Hinsicht ein gewinnbringender Vortragsnachmittag mit herausragenden
Referenten, der wieder einmal deutlich gemacht hat, wie nah am Leben und wie span-nend
das Steuerrecht sein kann.